Spandauer Thesen - These 5

 

Strategische Wissensallianzen und Netzwerkpolitik

Eine neue Politik der Arbeit erfordert strategische Wissensallianzen und eine Netzwerkpolitik zwischen Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und kritischer Wissenschaft: Angesichts der derzeitigen politischen Kräfteverhältnisse sind für die Durchsetzung dieser Ziele Kooperationen notwendig. Die Kraft für eine derartige Erneuerung gegen das neoliberale Einheitsdenken der Zeit kann nur entstehen, wenn Gewerkschaften, soziale Bewegungen und kritische Wissenschaft in Formen einer neuen Netzwerkpolitik zusammenfinden.

Das gilt auf allen Ebenen (lokal, regional, EU-weit, global). Dies setzt zugleich voraus, dass diejenigen, die im Bereich der Wissenschaft an neuen und alternativen Lösungsansätzen arbeiten, zusammen mit den Akteuren in der Praxis neue strategische Wissensallianzen bilden. Es geht dabei um nicht weniger als eine Veränderung der derzeitigen politischen Kräfteverhältnisse.

Zur Veränderung politischen Kräfteverhältnisse werden erweiterte Formen der Kooperation von Gewerkschaften mit sozialen Bewegungen, Kirchen und Wissenschaft usw. auch deshalb notwendig, da klar geworden ist, dass die Bezugnahme auf eine befreundete Partei mit gesellschaftspolitischer Gestaltungsmacht eine wirksame Politik von unten nicht mehr ausreichen kann. Eine horizontale Netzwerkpolitik muss traditionelle Verbandspolitik ergänzen.

Sie ist gegenüber den fordistischen Formen verbandskorporatistischer Politik durch eine größere Bedeutung von Freiwilligkeit des Mitmachens und des „Selbertuns“ der Menschen gekennzeichnet, das bei allen Widersprüchen durch die Reorganisation der Produktionsprozesse allenthalben betrieben wird. Kooperation ist eher durch horizontale Formen wechselseitiger Kommunikation und Kooperation sowie durch ‚Knoten‘ statt Zentren der Entscheidung oder gar Avantgardekernen gekennzeichnet. Gegenseitiges Vertrauen und Kenntnisse über und das Verstehen von jeweils anderen Perspektiven der Bündnispartner gewinnt an Bedeutung. In ihr sind so auch Kooperationen zwischen Bündnispartnern eher möglich, die sich in manchen Fragen (noch) nicht einig sind.

 

Begründung

Eine neue Politik der Arbeit entsteht nicht aus wissenschaftlicher Reflexion allein, also gewissermaßen vom Schreibtisch aus. Sie kann sich nur im Dialog entwickeln, in Dialogen zwischen Praktikern aus Organisationen der lebendigen Arbeit (alten und neuen sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und NGOs) und WissenschaftlerInnen (zumeist aus primären Forschergruppen), die sich auf deren Handlungsprobleme und Bedingungen einlassen wollen und von da aus die neue Konstellation der kapitalistischen Produktionsweise analysieren. Aus solchen Dialogen entstehen Arbeitsbündnisse und strategische Wissensallianzen.

Für die Gewerkschaften in der Bundesrepublik ist in den letzten Jahren immer klarer geworden, dass alte Arbeitsteilungen zwischen Gewerkschaften und Politik keine gesellschaftlichen Reformprojekte mehr tragen, die diesen Namen noch verdienen. Kraft für eine Erneuerung gegen das neoliberale Einheitsdenken der Zeit können die Gewerkschaften nur entwickeln, wenn sie sich auf ihre eigenen Wurzeln als soziale Bewegung wieder stärker besinnen, wenn sie und „neue soziale Bewegungen“ in Formen einer neuen Netzwerkpolitik zusammenfinden. Das gilt auf allen Ebenen (lokal, regional, EU-weit, global). Dies setzt zugleich voraus, dass diejenigen, die im Bereich der Wissenschaft an neuen und alternativen Lösungsansätzen arbeiten, zusammen mit den Akteuren in der Praxis neue strategische Wissensallianzen bilden.

Formen einer neuen Netzwerkpolitik wiederum beruhen auf der Freiwilligkeit des Mitmachens und des ‚Selbertuns‘ der Menschen. Es geht darum, dass dieses Selbertun, das durch die Reorganisation der Produktionsprozesse in den Unternehmen – wenn auch widersprüchlich – allenthalben gefordert und gefördert wird, von den Organisationen der lebendigen Arbeit selbst systematisch genutzt wird. Charakteristisch werden dann eher horizontale Formen wechselseitiger Kommunikation und Kooperation, ‚Knoten‘ statt Zentren der Entscheidung, experimentelles Handeln in reversiblen Lernprozessen statt der Befolgung verordneter strategischer Orientierungen usw.

Als Anforderungen an in Wissensallianzen erfolgreiche Gewerkschaften ergeben sich, dass breite, demokratische Diskussion und Transparenz gegenüber Mitgliedern und Bündnispartnern bei der Entscheidungsfindung unerlässlich sind, um Vertrauen wiederzugewinnen, dass ein Verhandeln in Netzwerken ‚auf Augenhöhe’ stattfinden muss und dass Formen des „social movement unionism“ aufzugreifen sind. Zusammen mit betroffenen Beschäftigten in neuen bzw. prekären Bereichen sind in solchen Formen und unter Nutzung und Förderung von deren ‚Selbertun’ aktiv Gewerkschaftspolitiken und Organisationsformen neu zu erproben und zu entwickeln.

Gerade durch diese autonomeren Strukturen gewinnen gegenseitiges Vertrauen und Kenntnisse über und das Verstehen von jeweils anderen Perspektiven der Bündnispartner in Prozessen von Netzwerkpolitik an Bedeutung. In ihnen sind so auch Kooperationen zwischen Bündnispartnern eher möglich, die sich in manchen Fragen (noch) nicht einig sind. Arbeitsbündnisse und strategische Wissensallianzen sind so in Prozessen, in denen die Beteiligten sich auf dem gemeinsamen Weg über ihre Ziele immer neu verständigen, auf eine Erweiterung gemeinsamer Gestaltungspotentiale hin angelegt

 

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